Beziehungsweisen Westhagen: Essayfilm als spekulative Praxis
Seminar im B.Sc. und M.Sc. Architektur, TU Braunschweig
Welche Narrative von wünschens- und lebenswerten Realitäten lassen sich in Wolfsburg Westhagen aufspüren? Welche Fiktionen mit utopischen Überschüssen und Spekulationen lassen sich darauf aufbauend weiterentwickeln? Was sagen uns die Vorstellungen von Zukunft über die Gegenwart und welche konkreten Anknüpfungspunkte lassen sich identifizieren?
Über Spaziergänge, theoretische Überlegungen, literarische Erzählungen, kollektive Schreibübungen sowie das gemeinsame Erdenken von Fiktionen und Zukünften mit Bewohner*innen Westhagens sollen im Seminar spekulative Narrative für essayistische Filmarbeiten erstellt werden. Begleitend erfolgt eine Beschäftigung mit dem Genre des Essayfilms sowie praktische Übungen in Kamera, Schnitt und Dramaturgie, um die Kurzfilme während des Semesters umzusetzen und schließlich mit dem Stadtteil diskutieren zu können.
Hintergrund:
Wie in vielen europäischen Städten wurde in den 60er und 70er Jahren auch in Wolfsburg mit großmaßstäblichen Wohnungsbauprojekten auf die hohe Nachfrage nach Wohnraum reagiert. Auch wenn Westhagen unter besonderen Umständen geplant und errichtet wurde, so kann der Stadtteil in vielerlei Hinsicht als beispielhaft für eben solche Stadterweiterungen betrachtet werden: die Planungen wurden nur unvollständig realisiert, die Wohnungen nicht wie erwartet bezogen, schließlich gingen zunehmende Vernachlässigung und mangelnde Pflege mit einer sinkenden öffentlichen Wertschätzung einher.
Gegen diese Entwicklung wurden in den letzten zwanzig Jahren durch das Städtebauförderungsprogramm ‚Soziale Stadt‘ verschiedene Ansätze erprobt: Bereiche mit besonders baufälliger Gebäudesubstanz befinden sich in Neuplanung, öffentliche Grünflächen und Plätze sind saniert worden, Beteiligungsprogramme und Bürgerförderungen haben die Teilhabe der Anwohner*innen gestärkt.
Das Auslaufen der Förderung bietet die Gelegenheit, die Vergangenheiten, Gegenwarten und Zukünfte Westhagens in den Blick zu nehmen. Die Tatsache, dass viele der großmaßstäblichen Wohnungsbauprojekte vergleichbare Prozesse und Transformationen durchlaufen haben, andere gerade mit ihnen beschäftigt sind oder diese noch erleben werden, macht deutlich, wie wichtig es ist, sich sorgfältig mit dem Möglichen auseinanderzusetzen. Da sie in besonderem Maße soziale Ungleichheiten auffangen, einen Umgang mit den Folgen des Klimanotstands finden müssen und (immobilien-)wirtschaftliche Veränderungen verhandeln, ist die Auseinandersetzung mit und die aktive Mitgestaltung von Vorstellungen von Zukünften bedeutend, auch für angehende Architekt*innen.
info
Seminarleitung: Jan Hennies, Tatjana Schneider
In Kooperation mit dem Forum Architektur der Stadt Wolfsburg und dem Stadtteil- und Kulturhausmanagement Westhagen
B.Sc. und M.Sc. Architektur
Institut für Geschichte und Theorie der Architektur und Stadt (GTAS)
Institutsleitung: Prof. Tatjana Schneider
Technische Universität Braunschweig
Sommersemester 2024